Nichts los. Im Stau stehen. Unterfordert. Langeweile kann elend sein. Oder stimmt das gar nicht?
Ein interessierter Leser findet 1001 gute Ratschläge, was er gegen Langeweile tun kann. Langeweile ist
„böse“, deshalb muss der Mensch diese Zeit totschlagen mit den genannten guten Vorschlägen.
Aber – das Herumhängen kann auch als angenehm empfunden werden. Friedrich Nietzsche meinte sogar, dass die Langeweile der Suche des Menschen nach dem höchsten Glücksgefühl entspricht. Und,
Langeweile kann als Katalysator für neue Ideen verstanden werden.
Der Leser staunt. So hat er sich dieses Thema vielleicht noch gar nicht vorgestellt. Neue Ansichten machen neugierig. Dieser Text stillt Ihre Neugier …
Bildquelle: havefun/ https://www.frage-antwort-storytelling.de/a-z/langeweile-ultimative-kick/
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Man mag seinen Augen nicht trauen, aber die Philosophen haben sich als erste mit dem Begriff der Langeweile
beschäftigt (*).
Die Ansichten beginnen bei dem Gefühl des Menschen, er befinde sich im Urzustand der Schöpfung (des Seienden), so wird Martin Heidegger zitiert. Dies kann ein interessanter Gedankenanstoß sein.
Man tut nichts, im Menschen sammelt sich Energie an, und aus diesem Zustand heraus entsteht ein neues Schaffen. Der Geist nimmt sozusagen Anlauf für den nächsten Gedankensprung.
Dazu finden sich natürlich etliche Bemerkungen, die die Langeweile als teils unerträglichen Zustand des menschlichen Daseins brandmarken.
Die vielleicht interessanteste Notiz seitens der Dichter und Denker findet man bei Nietzsche. Die Darstellung im Wikipedia Artikel kann man dahingehend interpretieren, dass Nietzsche die Langeweile als eine Art höchsten Glückszustand verstanden habe (*).
Fairerweise muss man an dieser Stelle bemerken, dass wir die Muße, also die freie Zeit, im modernen Verständnis gegen die als negativ empfundene Langeweile abgrenzen. Das Herumhängen in der Hängematte hierzulande oder auf der Südseeinsel gilt uns als Muße, nicht als Langeweile. Nietzsches Interpretation lässt an dieser Stelle ausreichend Raum für Diskussionen zu diesem Begriffspaar.
Immerhin, einige bedeutende Geistesgrößen meinen, Langeweile habe einige positive Komponenten in sich. Und daraus könne der Mensch etwas machen. Für manchen modernen Menschen ist dies vielleicht ein neuer Aspekt.
Der genannte Artikel (*) hält unter der Rubrik „Pädagogik“ eine weitere Überraschung bereit. Demnach wollen Kinder auch mit Genuss herumhängen und den lieben Gott den Tag gestalten lassen. Die Betonung liegt auf „genussreich“.
Erst die Eltern wollen demnach die Kinder „überbehüten“ und mit Aktivitäten überhäufen, sodass die Kinder
diese freie Zeit nicht ausschöpfen können. Man kann den Ansatz so verstehen, dass aus freier Zeit eine natürliche Kraft entstehen kann, die wieder in neue Aktivitäten mündet. In dieser Hinsicht
haben sich die alten Philosophen ähnlich ausgedrückt.
Die Message lautet dann: Langeweile zulassen und warten, bis ein neuer Antrieb von selbst entsteht. Ein interessanter Ansatz, der vollkommen kontrovers zu den sonstigen Wusel-Vorschlägen
steht.
Die Aussagen aus der Soziologie zu dem Thema sind vielfältig und oft schon mehrfach kommuniziert worden. Auch der Ausdruck vom „Boreout“ isst nicht mehr ganz neu. Darunter wird eine Unterforderung im Beruf verstanden.
Wenn nichts los ist, dann wird etwas losgemacht. So gilt die Standardregel. Zulassen ist schwieriger, dazu sind wir nicht angehalten worden. Den jungen Menschen in asiatischen Erziehungssystemen scheint es manchmal besser zu gehen als den Kindern im Westen. Sie werden zu Achtsamkeit und Geduld erzogen – so liest man zumindest. Vielleicht sollten wir einmal zur Abwechslung eine Idee abkupfern.
Die hinduistische Weltsicht hat diesen Zustand der Leere mit einer interessanten Variante versehen. Demnach ruht die Weltseele, das Brahma, selbstgenügsam in sich. Doch hin und wieder kommt der Gegenpol, die dualistisch veranlagte Natur daher. Sie tanzt den Schleiertanz (Maya) vor dem Selbst, und dieses wird wieder aktiv und gestaltet eine neue Welt.
Man kommt also durch einen Anreiz aus der Langeweile heraus. Die Frage ist, wer bringt die tanzende Verlockung zum Brahma? Es ist die Zeit, die das große Selbst wieder in Wallung bringt. Still und klar ruht der See des Selbst in sich, im „Milchozean“, und die Zeit bringt ihn wieder in Fahrt.
Was hilft also gegen Langeweile? Die Zeit. Kommt Zeit, kommt Tat. Also, einfach geschehen lassen. Abwarten und in der Hängematte schaukeln.
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Freizeit gibt es erst seit dem Jahr 1823. In
diesem Jahr wurde der Begriff von dem deutschen Pädagogen Friedrich Fröbel geprägt (*).
Freizeit steht für die arbeitsfreie Zeit. Sie dient ausschließlich der Erholung von den Mühen der Arbeit, jedenfalls in ihrer ursprünglichen Form.
Mit der Ausweitung der arbeitsfreien Zeit im Laufe der Industriegeschichte wurde der Erholungsgedanke ergänzt durch vielfältige Freizeitaktivitäten. Hobbys begleiten den modernen Menschen ebenso wie Abenteuerreisen oder auch der Rückzug in einen Yoga „Retreat“. Im Kontext mit der Freizeit gibt es im heutigen Leben kaum Platz für Langeweile.
(*) Textquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Freizeit
Surfen haben dieses Prinzip von Ruhe und Dynamik verstanden. Sie wissen dass das Meer zyklisch bewegt
wird. Also sitzen sie am Strand und beobachten die Wellen. Wenn nichts los ist machen sie – nichts, außer zu beobachten.
Das kann eine „Weile“ lang dauern. Aber dann kommen die Wellen zurück, und geht es wieder los. Surfer können ein Beispiel sein für die
Geduld als positiven Ausdruck für die Langeweile.
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Das Gegenteil von Langeweile könnte die Muße sein? Langeweile ist aufgezwungen. Der Zwang kann von außen kommen oder auch von innen.
Muße ist selbstbestimmte Verwendung der freien Zeit (*). Die Aussage kann beim ersten Lesen verwundern. Sie kann so sehr verwunden, dass man unwillkürlich weiterlesen möchte.
Muße bedeutet also eine innere Freiheit? Was sagen die alten Griechen und Römer? Muße entsteht erst durch Arbeit. Und – Muße hat etwas Würdevolles an sich (*). Das liest sich auch wie starker Tobak. Kann es auch etwas einfacher ausgedrückt werden?
Noch nicht. Das Mittelalter geißelte den Müßiggang (*). In diesem Ausdruck ist auch ein Stück Muße enthalten. Zu jener Zeit war es also nichts mit der Hängematte unter Palmen. Was ist denn jetzt Muße?
Gesund ist sie. Und sie dient der Erholung (*). Sogar Meditation bedeutet bei einigen Meinungsbildnern eine
Abart der Muße (*). Und schließlich ist der aktuelle Ausdruck für diesen missverständlichen Begriff – Chillen.
Und was bedeutet Chillen? Herumhängen. Tun und lassen, was einem gerade gefällt (*).
Das liest sich OK, und es hat etwas von dem Aspekt von „Warten auf die Welle“ in der Langeweile.
(*) Textquellen: Wikipedia/ Muße, /Chillen
Einen Extremfall von Boreout hatte Goethe
in seiner Tragödie „Faust“ geschildert. Ein gelangweilter Gelehrter ruft die bösen Geister an, um ein bisschen mehr Schwung in sein Leben zu bringen. Es geht
hin und her. Am Ende geht die Geschichte schlecht aus.
Mit Nietzsche im Gepäck wäre dem Doktor Faustus dieser Fauxpas nicht passiert. Allerdings kam Nietzsche erst ein paar Jahre nach Goethe zu seinen Einsichten, dass Langeweile, als Muße verstanden,
das höchste Glück auf Erden bedeuten kann.
Bildquelle: havefun/ https://www.frage-antwort-storytelling.de/a-z/langeweile-ultimative-kick/
Ein Kind sitzt am Fenster und beobachtet die
Regentropen. Plötzlich springt es auf und tut etwas. Was ist passiert? Haben sich im Gehirn des Menschen neue Felder überlagert und eine Idee gebildet? Oder haben sich die Verbindungen der
Hirnhälften über den Mittelsteg verstärkt und zu neuen Gedanken geführt?
Die Wissenschaft von heute müsste die Vorgänge nachvollziehen und erklären können. Es wäre schon phantastisch, wenn auch der Erwachsenen durch gewollte Langeweile
zu neuen Ideen kommen könnte.
Auf der Suche nach einer Antwort lernt der interessierte Bürger zuerst, dass es einen Unterschied zwischen
Idee und Gedanke gibt.
Die Idee ist das Revier der Philosophen. Von den antiken Denkern zieht sich ein breiter Strom von Meinungen bis in die Neuzeit hin. Dem Autor ist beim ersten Überlesen dieser Parade von Denkern
die Meinung von Immanuel Kant aufgefallen. Für ihn sind Ideen transzendent. Ideen werden nicht „gedacht“. Die entstehen, weil sie natürlich sind (*). Das passt wieder zu dem Kind am Fenster. Ihr
sollt sein wie die Kinder – wenn ihr auf neue Ideen kommen wollt. Es tut sich eine interessante Querverbindung auf.
Die Welt der Gedanken fällt in das Ressort der Kognitionspsychologie (*). Ein Laie tut sich schwer mit dem Verständnis der Zusammenhänge. Der Begriff der Aktionspotenziale fällt auf. Das Gehirn braucht offenbar Reize, um neue Gedanken zu produzieren. Wenn der Kleine nun vor dem Fenster sitzt und die Reize seiner Umwelt reduziert, dann – beschäftigt das Gehirn sich im Wesentlichen mit sich selbst. Möglicherweise liegt darin das Geheimnis mancher Weisen aus dem fernen Asien, die oft stundenlang Gedanken aus der Stille erschaffen. Einige Ergebnisse dieser Denkarbeit finden auch bei uns im Westen Zustimmung.
Kann der Mensch also durch bewusst herbeigeführte „Langeweile“ absichtlich kluge Gedanken produzieren?
Eine interessante Frage. Let`s have a break.
(*) Textquellen: Wikipedia/ Idee, /Gedanke, /Kognistionspsycholgie
Bildquelle: havefun/ https://www.frage-antwort-storytelling.de/a-z/langeweile-ultimative-kick/
Menschen – Tiere – Sensationen. Es gibt tausend Möglichkeiten, um sich die Zeit zu vertreiben. Der Circus hat das Bedürfnis die Zeit „totzuschlagen“ schon früh erkannt und entsprechende Sensationen angeboten. Was ist eine Sensation? Ein Reiz für die Sinne? Es geht um außergewöhnliche Ereignisse – und um Gefühl. Die fünf Sinne werden mit Gefühlen in Bezug gesetzt (*).
Circus und Kirmes galten in Zeiten vor der Digitalisierung als solche Orte für Spektakel. Auch das Kino gehörte dazu. In Zeiten der Informationsgesellschaft gehört es sich auf den Begriff der Informationsflut hinzuweisen. Ist eine Überreizung noch als Sensation zu bezeichnen?
Man lernt nie aus. Aber da ist noch mehr im Hinblick auf das Thema Langeweile. Bei fünf Sinnen kann sich ein interessierter, jedoch gelangweilter Mensch eine umfangreiche Liste von sensationellen Ereignissen vorstellen und damit die Zeit bis zur nächsten Anreicherung der Sinne überbrücken. Oder auf den Vorschlag deutscher Dichter und Denker hin - einfach in der Mitte ruh`n.
(*) Textquelle: Wikipedia/ Sensation
Der Mensch ist erfinderisch. Wenn die Langeweile zu lang dauert, dann erfindet er eine Kurzweil. Heute heißt das: amüsieren.
Es geht um leichte Unterhaltung. Diese darf gern etwas lustig sein. Ein Witz auf der Bühne oder im Fernsehen gehört dazu. Die leichte Musik, Easy Listening und ihre shoo-be-doo Refrains, wurden in diesem Bereich erfunden. Ein Zeitvertreib dieser Art bedeutet einfach Spaß oder Gaudi zu haben. Wer nicht auf die Stimme aus dem Innern warten will, der vertreibt sich mit Kurzweil die Langeweile.
Was bleibt? Das Thema Langeweile ist nicht ganz ohne Relevanz für den Alltagsmenschen. Verkehrsstaus,
Unterforderung und ein langweiliges Fernsehprogramm begleiten uns wie Naturgewalten.
Wir sind von Natur aus neugierig und immer auf der Suche nach etwas Neuem. Kurzweil vertreibt zwar die Zeit, aber auf die Dauer
hilft triviale
Zerstreuung eher nicht gegen die Langeweile. Was hilft dann?
Ein genussvolles Aushalten von Momenten, in denen nicht los ist, so wie die Kinder es tun. Und daraus wieder etwas Neues entstehen lassen.
Ein interessanter Ansatz – und reichlich Raum für Diskussionen.
(wird fortgesetzt)
Bildquelle: havefun/ https://www.frage-antwort-storytelling.de/a-z/langeweile-ultimative-kick/
Textquelle:
Wikipedia/ Langeweile
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